Frag eine Tierärztin – Thema Impfungen

Was ist eine Pflichtimpfung und warum ist Impfen so wichtig?

Interview zum Thema Impfungen mit Tierärztin Janina Benner durchgeführt von Bloggerin Daniela von „Wuide Goas“

Impfungen sind aktuell in aller Munde, da die ganze Welt auf einen Impfstoff gegen das Coronavirus wartet. Nicht nur wir Menschen, sondern auch unsere Haustiere sollten gegen schwerwiegende Infektionskrankheiten geimpft werden. Im Interview spricht Tierärztin Janina Benner über dieses wichtige Thema. Sie verrät, was eine Impfung im Organismus bewirkt, was und wie oft man impfen sollte und räumt mit Mythen und Ängsten auf.

Hallo liebe Janina, schön, dass wir noch ein Interview zusammen machen. Magst du dich vielleicht nochmal kurz vorstellen für alle, die dich noch nicht kennen?

Hallo, mein Name ist Janina Benner und ich bin seit mittlerweile 12 Jahren Tierärztin aus Leidenschaft. Ich bin in einem kleinen Dorf in Hessen aufgewachsen und es war schon immer mein Traum Tierärztin zu werden. 2014 habe ich mich in Mühlheim an der Ruhr mit der Tierarztpraxis Benner selbstständig gemacht und behandle hauptsächlich Kleintiere

1. Grade warten wir alle auf einen Covid 19 Impfstoff, da bietet es sich an auch über die Impfung bei unseren Haustieren zu sprechen. Fangen wir mal bei den Basics an. Was ist eine Impfung überhaupt und wie entsteht die Immunität beim Tier?

Das ist ein komplexes Thema, und ich versuche es kurz zu halten. Grundsätzlich versteht man unter einer Impfung die Gabe von Impfstoffen oder Immunseren, die den Organismus gegen eine Infektionskrankheit immunisieren. Man kann bei der Immunisierung zwischen der aktiven und der passiven Immunisierung unterscheiden. Bei der aktiven Immunisierung bekommt der Körper Antigene gespritzt und der Körper bildet aktiv Antikörper dagegen. Dabei unterscheidet man noch zwischen Lebend- und Totimpfstoffen.

Lebendimpfstoffe enthalten vermehrungsfähige sehr stark abgeschwächte Erreger. Eine Impfung imitiert eine natürlicher Infektion, ohne das Tier krank zu machen. Eine einmalige Impfung kann bei erwachsenen Tieren bereits einen Impfschutz bieten. Durch eine zweite Impfung werden vereinzelte Impfversager erreicht.

Totimpfstoffe sind z.B. nicht mehr vermehrungsfähige inaktive Krankheitserreger, inaktive Antigenbestandteile oder inaktive Bestandteile der Erregertoxine.

Bei der passiven Immunisierung werden dem Patienten direkt Antikörper gegen den jeweiligen Krankheitserreger injiziert. Ziel ist es, einen sofortigen Schutz gegen den jeweiligen Erreger zu generieren. Die passive Immunisierung führt allerdings nicht zur Bildung von Gedächtniszellen und somit zu keiner langfristigen Immunisierung.

In der Tiermedizin unterscheidet man zusätzlich noch zwischen Core und Non-Core-Impfungen, aber dazu später mehr.

Wichtig ist eine routinemäßige Untersuchung – achte auf die Impftermine| Lieblingstier

2. Aktuell halten sich einige Tierbesitzer bei Routine Besuchen wie eben auch dem Impfen zurück. Was sagst du dazu?

Am Anfang der Coronawelle hat man durchaus gemerkt, dass die Tierbesitzer unsicher waren, ob sie zum Tierarzt gehen sollen und es lieber etwas rausgezögert haben. Mittlerweile kommen die Tierbesitzer wieder regelmäßig und lassen ihre Tiere routinemäßig untersuchen und impfen. Es ist wichtig, dass man mit seinem Tier einmal im Jahr einen Gesundheits- Check macht. Je nach Tierart und Rasse wird mindestens eine jährliche Blutuntersuchung empfohlen, um die Werte des Tieres im Blick zu haben.

3. Gegen was und in welchem Rhythmus sollte mein Hund bzw. meine Katze geimpft werden?

Wie ich zuvor schon kurz erwähnt habe, gibt es in der Tiermedizin die Unterscheidung zwischen Core- und Non- Core- Impfungen. Wir Tierärzte halten uns an die Impfempfehlungen der ständigen Impfkommission Veterinärmedizin (StIKo Vet).

Core-Komponenten der Impfstoffe richten sich gegen Erreger, gegen die jedes Tier zu jeder Zeit geschützt sein muss. Das heißt, egal ob der Hund viel zur Hundewiese geht oder nicht, er sollte gegen diese Erreger geimpft sein. Das gilt auch für die Katze. Egal ob Freigänger oder Wohnungstiger sollte sie gegen diese Krankheiten geimpft sein. Ich spreche immer von „sollte“ statt „müssen“, da es in Deutschland keine Impfpflicht für die Haustiere gibt. Non-Core-Komponenten der Impfstoffe richten sich gegen Erreger, gegen die Tiere nur unter besonderen Umständen geschützt werden müssen.

Core- Komponenten sind bei der Katze gegen das Rhinotracheitisvirus, Felines Calicivirus, Felines Panleukopenievirus und Tollwut bei Freigängern.

Der Hund sollte Core-Komponenten gegen Parvovirose, Staupe, Leptospirose, Tollwut und Hepatitis contagiosa canis erhalten. Die Non-Core-Impfungen richten sich nach den Lebensumständen des Tieres. Ist die Katze Freigänger oder der Hund viel im Ausland? Dann sind weitere individuelle Non-Core Impfungen nötig.

Die Grundimmunisierung erfolgt in den ersten zwei Lebensjahren des Welpen. Man beginnt in der 8. Woche bei Hund und Katze und impft danach im 3-4 Wochen Rhythmus. Das heißt weiter in der 12. Woche und der 16. Woche. Anschließend folgt noch eine Impfung nach einem Jahr mit ca. 15 Lebensmonaten. Somit ist die Grundimmunisierung abgeschlossen. Eine vollständige Grundimmunisierung ist Voraussetzung für einen optimalen Schutz des Einzeltieres. Die folgenden Wiederholungsimpfungen unterschieden sich je nach Hersteller, Infektionsdruck und Status des Tieres. Sie können jährlich stattfinden oder auch alle 2-3 Jahre nötig sein.

Schütze dein Haustier – Prävention durch Impfung | Lieblingstier

4. Warum sollte man sein Tier regelmäßig impfen?

Die Impfung ist die wichtigste Maßnahme zur Verhinderung von Infektionskrankheiten. Ein höchstmöglicher Durchimpfungsgrad (> 70 %) ist in einer Tierpopulation anzustreben, um Epidemien zu verhindern. Als bestes Beispiel ist die Tollwut zu nennen. Das ist eine Zoonose, an der weltweit jährlich bis zu 60.000 Menschen sterben. Durch Impfungen lassen sich solche schlimmen Krankheiten eindämmen und Leben können gerettet werden. Deutschland ist tollwutfrei, da Füchse durch Schluckimpfungen immunisiert wurden. Die Gefahr ist jedoch nicht ganz weg, da es immer wieder vorkommen kann, dass Hunde oder Katzen aus dem Ausland Tollwut haben. Beißt so ein kleiner Welpe seinen Menschen spielerisch kann Tollwut übertragen werden. Solche lebensbedrohlichen Szenarien will man mit Impfungen unbedingt vermeiden.

5. Was kann passieren, wenn das Tier nicht geimpft wird?

Im schlimmsten Fall kann das Tier sterben. Das hängt von der Krankheit ab und der Dosis des Erregers. Die Parvovirose kann z.B. bei Hund und Katze zum Tod führen. Katzenschnupfen kann bei Katzen eine Erblindung bewirken. Sowas sollte nicht passieren, da es durch eine Impfung vermieden werden kann.  

6. Was sind häufige Fragen, Ängste oder Fehlinformationen zum Thema Impfen? Und was sagst du dazu?

Viele Leute haben Angst vor Nebenwirkungen oder bleibenden Impfschäden. Die größte Nebenwirkung wäre eine allergische Reaktion auf den Impfstoff, die dann zu einem Schock führen kann. Das tritt jedoch nur bei 1-5 Fällen von 1000 Impfungen auf. Bei Katzen kann es durch die Injektion zu einem Fibrosarkom kommen. Aber auch das ist statistisch nicht relevant, da es nur bei einem aus 10.000 Fällen vorkommt. Eine Impfung wird stets vom Tierarzt abgewogen und auf den individuellen Status des Tieres angepasst. Ist das Tier gesund, spricht nichts gegen eine Impfung. Tierärzte werden nicht reich durch Impfungen, so wie es manchmal in den Medien vermittelt wird. Uns liegt das Wohl des Tieres am Herzen und dazu gehört es schwerwiegende Infektionskrankheiten vorzubeugen.

7. Dein Appell an Tierhalter zum Thema Impfen?

Ich rate jedem Tierbesitzer sein Tier zu impfen. Gemäß der Leitlinie der StIKo Vet: „Mehr Tiere impfen, das einzelne Tier so häufig wie nötig!“. Das heißt, dass stets individuell entschieden wird, welche Impfungen für das Tier nötig und wichtig sind. Die Grundimmunisierung möchte ich jedem Tierhalter besonders ans Herz legen, da diese einen wichtigen Grundstein für die Tiergesundheit legt. Die folgenden Wiederholungsimpfungen sollten je nach Hersteller alle paar Jahre geimpft werden. Fragen zur Impfung sollte man immer mit seinem Tierarzt besprechen und sich nicht auf unprofessionelle Internetseiten verlassen.

Die Impfempfehlungen der StIKo Vet sind frei zugänglich und verständlich geschrieben. Interessierten Tierbesitzern kann ich diese Lektüre empfehlen, da steht auch noch einiges drin über die einzelnen Krankheiten.

Weiterführende Links:

StIKo Vet Leitfaden
Tierarztpraxis Benner
Welpenimpfung

Tierärztin Janina Benner

Das Interview führte Wuide Goas – dein Tiermedizin Blog & Podcast.
In ihrem Blog beweist Daniela in zahlreichen Interviews und Erfahrungsberichten Herz & Verstand für die Veterinärmedizin. Ihre wöchentlich erscheinenden Beiträge handeln vom Alltag in Tierarztpraxen, dem Studium, der Veterinärmedizin im Allgemeinen und der Forschung für die Tiermedizin.




zurück zur Übersicht


WEITERES ZUM THEMA

Frag eine Tierärztin – Thema Impfungen

Achtung Gesundheit: Schütze dein Haustier durch Impfungen

Haustiere unterm Weihanachtsbaum

Haustiere eignen sich nicht als Überraschungsgeschenke.

So macht Schule tierisch Spaß!

Haustiere im Unterricht – Tiergesundheitsunterricht in der Schule

Frag eine Tierärztin- Was tun gegen Zecken?

Frag Janina Benner! Ein Interview über das Thema Zecken

WEITERE INTERESSANTE ARTIKEL